Lassen sie uns eingangs des zweitens Teils der Verdier Geschichte noch über etwas
ganz wichtiges reden. Es geht - ganz allgemein - um die Beurteilung von Laufwerken.
Das Problem : Zahlreiche Faktoren determinieren die Ergebnisse. Es ist deshalb gar nicht
so einfach, zum Eigenklang eines Plattenspielers vorzudringen.
Bekanntermaßen wirken sich ja schon die unterbauten (leichte order schwere tische,
wandhalterungen, Holz, Granit, Glas oder was auch immer) recht stark auf den Klang aus.
Wo in einem Raum das Laufwerk steht, ist nicht minder wichtig. Wie kräftig regt
Luftschall den Plattenspieler an ? Falls wir es zudem mit einem offenen Laufwerk, das
die Montage diverser, grundverschiedener Tonarme ermöglicht, müssen wir uns auch
nach möglichen Interaktionen zwischen Arm und Plattenspieler fragen. Läßt
das Laufwerk obendrein noch Varianten (Federungsjustage, verschiedene Armbasen, Plattenmatten,
Antriebsstrings, und so weiter) zu, dann befinden wir uns schnell sozuzagen im Wald. Wer
überdies auch schon einmal den Klangunterschied zwischen ein und demselben MC-Tonabnehmer
bei 20 und 25 Grad Raumtemperatur gehört hat, der weiß,daß das Dikicht sich
verändernder Randbedingungen klare Wertungen fast unmöglich macht, diese zumindest
extrem erschwert. Mir persönlich erschenen schier einbetoniert Urteile über diesen
oder jenen Plattendreher deshalb all atwas suspekt, zumal - realistisch betrachtet - der
persönlich Geschmack Differenzen bei der Einstufung bestimmter Klangeigenschaften
herbeifïhrt. Im der praxis wird es wohl immer so laufen, daß ein hochkarätiges
Laufwerk die Basis für jene klangeigenschaften darstellt, die sein Besitzer
schließlich durch gezielte Beeinflussung von Parametern und natürlich durch
die Wahl von Arm und Abtaster herbeiführt.
Wie stark sich dabei der bastelund Modifikationstrieb des Benutzers letztlich auswirken
kann, wurde mir schon anhand der "großen" Platine Verdier nachhaltig klar,die ich in
einigen eher unbeholfenen Konstellationen nicht einmal mehr wiedererkannte ...
Der vernünftigste Rat, den ich Ihnen in diesem Zusammenhang zu geben vermag, ist
einfach : Gegen sie nur Schritt für Schritt vor, und lassen Sie eine einmal vorgenommene
Veränderung möglichst lange uaf sich einwirken.
Auch bei der Nouvelle Platine Verdier ist der Betreiber zumächst gut damit beraten,
das Laufwerk im Auslieferungszustand zu belassen und Experiemnte mit Matten und Antriebsstrings
auf eine späteren Zeitpunkt zu verschieben. Ein erwähnenswerter Vorteil des Konzept
ist schlicht Einfachheit. Abgesehen von der Tonarmmontage steht die Verdier in spätestens
zehn Minuten. Eine superleichte Wasserwaage oder eine Dosenlibelle auf dem blanken
aluminiumteller helfen dabei; zusätzlich nötig ist nur eine Stroboskopscheibe,
um die Geschwindigkeit nach etwa 15 Laufmiten präzise zu justieren. Wichtig : Auch
die Motoreinheit ist genau "ins Wasser" zu stellen. Den Antriebsfaden zwischen motor und
teller sollte man übrigens relativ straff spannen. Wer den Motor zwei Meter weiter
positioniert, tut sich weder klanglich noch ergonomisch einen gefallen.
Faustregel : Die maximale Entfernung kennzeichnet der ausgestreckte Arm; weniger Abstand,
womöglich dicht am Laufwerk, ist kein Problem.
Die schon im ersten Teil dieser Geschichte erwähnten Bronze-Tonarm-basen sind ein
kapitel für sich. Der tiefere Grund für die Verwendung dieses Materials ist nicht
nur seine sicherlich vibrationshemmend wirkende Masse, sondern eigentlich ein Synergieeffekt.
Es scheint nämlich, als würde die Bronze bestimmte Eigenschaften eines Tonabnehmers
zum Positiven hin verstärken. Ein Beispiel : Bei dem zwarsehr dynamischen, baßfesten
und spielfreudigen, aber nicht gerade analytischen Denon DL103 im 3012er SME-Arm zauberte die
Bronze-Tonarmbasis deutlich nehr Farbe, mehr Hochtonanteile herbei, die Transparenz erfuhr so
eine merkliche steigerung. Da es sich bei dieser auch mit andren Abtastern (SPU, AT-ML 180)
nachvollziehbaren Verânderung ganz offenbar um einen Synergieeffekt handelt, könnte
die Geschichte im Einzelfall auch ins Gegenteil umschlagen.
Sorgen machte uns daher die geplante Kombination Platine Verdier l Linn Ekos l Linn Arkiv,
zumal Linn-Kenner eindeutig Aluminiumbasen favorisieren und für eine knallharte Ankopp
lung an das Chassis plädieren. Die neben einer Stahlnbusschraube wahlweise einsetzbare
Bronze-Befestigungsschraube der Verdier-Tonarm-basis sowie der zwischen Basis und Chassis
angeordnete Dämpfungsring schienen hier folglich nicht so ganz ins Konzept zu passen.
Allerdings stellten sich diese Bedenken später als unbegründet heraus. Notfalls kann
freilich, so Auditorium 23-Chef Keith Aschenbrenner, auf eine Aluminium Tonarmbasis ausgewichen
werden.
Wer sich letztlich dazu durchringt, mit zwei naheliegenden "erogenen" Zonen dieses Laufwerks
- Antriebs- string und Plattenmatte - zu experimentieren, der sollte sich eines Hilfsmittels
bedienen, das in jedem Plattenschrank steht. Ein Klavierstück mit hart angeschlagenem,
dann lang ausklingendem Ton erleichert die Beurteilung, ob der Antriebsfaden tauglich,
korrekt geknotet und gespannt ist. Minimale, aber hörbare Gleichlaufschwankungen,
verursacht von einem rutschenden string, sind so einfach feststellbar. Und bezüglich
des Fadens selbst würden Sie staunen, wie deutlich sich dieses eigentlich simple
Teilchen auf Timing und Rhythmus auswirkt. Noch etwas: Wer in Näherei- und
Angler-Fachgeschäften zugibt, zu welchem Zweck er die Regale absucht, riskiert
einen Anruf bei den freundlichen Herren mit den weißen Turnschuhen, die für
solche Fälle sehr stabile Jacken bereithalten... Was nun die Plattenmatte betrifft,
so sollte man seine Ohren spitzen, während der Tonabnehmer die Leerrillen einer
neuwertigen Schallplatte passiert. Abgesehen vom Nadelschliff, der in bezug auf das
Laufgeräusch als hauptverantwortlicher Verursacher gelten muß, mischen sich
hier noch zwei Faktoren ein: Wirklich durchdachte Laufwerke scheinen das Laufgeräusch
zu verringern. Und die Tellerauflage tut ein übriges; es gibt nämlich ,,1autere"
und ,,1eisere" Matten, die überdies auch den schon erwähnten Klavieranschlag
festigen oder irgendwie "aufweichen".
Sich mit all dem nicht abgeben zu wollen, sich einfach nur für einen gut en
Plattenspieler zu interessieren, ist selbstredend völlig legitim. Also lassen wir
die Kirche mal im Dorf. Halten wir es mit demjenigen, der mir auf die Frage, ob er denn
bei seinem Auto mal nach dem Öl gesehen habe, antwortete, er gehe davon aus, daß
sich der stuttgarter Hersteller schon darum gekümmert habe. Soll heißen: Auch bei
der Nouvelle Platine Verdier hat sich schon jemand darum gekümmert. Intensiv sogar, wenn
Sie auf meine Meinung dazu Wert legen. Wohlgemerkt, ohne dabei gleich den Weg für eigene
Experimente zu ver mauern.
Kommentar dirk sommer
Wenn es um die Flatine Verdier geht, bin ich einfach voreingenommen. Denn ich hatte vor
nicht allzu langer Zeit über einige Monate hin Gelegenheit, ausführlich mit diesem
soliden Stück Feinmechanik zu arbeiten. Egal ob mit dem traditionsreichen langen SME plus
SFU oder dem moderneren Wheaton Triplanar 1V nebst van den Hul Grasshopper 1V GLA, die Flatine
verhalf den so verschiedenen Tonarmen zu absolut überzeugendem Klang. Und dabei habe ich
damals mit einem Laufwerk ganz nah am Auslieferungszustand gehört. Beim ständigen
Tonarm- und Systemwechsel hätten es sich einfach nicht gelohnt, des Kollegen Kraft
zahlreichen Tips und Tricks zum Klangtuning zu folgen. Denn letztendlich macht eine solche
Feinarbeit nur bei einer gegebenen Arm l System-Kombination Sinn. Aber, wie gesagt, selbst
ohne den letzten Schliff hat mich die Platine Verdier völlig überzeugt.
Und daß ich prinzipiell Masselaufwerke Subchassiskonstruktionen vorziehe, habe ich auch
nie verschwiegen. Kein Wunder also, daß sich meine Sympathie für den Klassiker
schon beim ersten Anblick auf die Nouvelle Platine Verdier überträgt. Denn auch sie
verströmt die Aura soliden Maschinenbaus. Zudem sorgt die Holzbasis im Vergleich zum
Kunststein des großen Modells für eine bessere Verträglichkeit mit dem
Wohnumfeld. Die optische Harmonie wird nur durch den - wie ich finde - unschönen
Kontrast zwischen dem Aluminium des Tellers und der Bronzebasis gestört. Auf dieser war
beim Testmodell ein Linn Ekos samt Arkiv - hier in der alten Version und vom Gehäuse
befreit - montiert. Und auch bei der Entzerrung blieb's bei Bewährtem, dem Linto. Bei der
Aufstellung konnte ich in meinem Hörraum der Empfehlung des Kollegen -
"die Nouvelle Platine bevorzugt schwere Möbel" - allerdings nicht ganz folgen. Das
Laufwerk fand ein Plätzchen auf dem oberen Board des Pagode-Racks von Finite Elemente,
stand also wie gefordert auf Holz, jedoch auf einer leichten MDF-Platte, die aber weitestgehend
von äußeren Schwingungen entkoppelt ist.
Dem klanglichen Ergebnis nach zu urteilen, fühlt sich die Nouvelle Platine hier aber
äußerst wohl. Das Trio von Linn kann mit seinen bekannten Vorzügen
glänzen: Es musiziert vom ersten Ton an rhythmisch packend, verschweigt keinerlei Details,
und be geistert mit einem abgrundtiefen, blitzsauberen Baß. Unbestritten hat die
Nouvelle Platine gerade hieran einen beträchtlichen Anteil. Den zu quantifizieren,
erscheint mir aber ohne direkten Vergleich mit einem anderen, identisch bestückten
Spitzenlaufwerk unmöglich. Von der Mär, daß Linn_Komponenten am besten in
firmeneigener Umgebung musizieren, darf man nach den Erfahrungen mit Ekos und Arkiv auf der
Nouvelle Platine getrost Abstand nehmen. Selten habe ich beispielsweise "God Bless The Child"
in der Fassung von Keith Jarrett, Gary Peacock und Jack DeJohnette, "Standards Vol. 1", mit so
perfektem Timing gehört. Dabei wirkt der Rhythmus aber nie überakzentuiert, der
musikalische Fluß wird nicht unterbrochen. Das französischlschottische Gespann
vermittelt eine konkrete Vorstellung des Aufnahmeortes und rückt vor allem die
Spielfreude der Musiker in den Mittelpunkt. Aber auch diejenigen, denen es gelingt,
ihre Aufmerksamkeit von der fesselnden musikalischen Darbietung auf schnöde HiFi-Kriterien
zu lenken, werden hier nicht enttäuscht. Die Platine und das Linn-Trio spielen tonal
ausgewogen, bieten eine Fülle von Feininformationen und zeichnen, wenn es die Platte denn
verlangt, eine weit ausgedehnte Bühne. Die Raumabbildung erweist sich auch bei hohen
Pegeln als absolut stabil. Nach meinen Erfahrungen mit der alten Platine hat es mich eigentlich
nicht sehr überrascht, daß auch die Nouvelle Platine bestens mit modernen Arm l
SystemnKombinationen zurecht kommt. Und daß sie mit SME 3012 und Co. aufs Feinste
harmoniert, davon wird Ihnen ganz bestimmt ein gewissser Kollege ausgiebig
vorschwärmen ...
Kommentar roland kraft
ach einer ganzen Reihe von Jahren, die ich mit der "großen" Platine Verdier verbracht
habe, stimmte mich das Erscheinen der Nouvelle Platine natürlich erst mal skeptisch.
Abgespeckt ? Sozusagen bergab designed, mit dem dicken Rotstift in der Hand?
Sorry, schief gewickelt, Jean Constant Verdier sträflich unterschätzt.
Was wir hier stehen haben, ist ein Laufwerk, das einige Dinge besser kann als sein
magnetgelagerter Namensvetter. Der mittlerweile fast doppelt so teuer ist. Basta, Punkt.
Und trotzdem: Der alten Legende das Wasser vollends abzugraben, war nicht drin, konnte wohl
auch nicht drin sein. Freuen kann ich mich an den klanglichen Eigenschaften beider
Laufwerkskreationen, die zwar verwandte, aber dennoch verschiedene Charaktere
repräsentieren. Zufrieden leben könnte ich mit beiden, weil beide ad hoc hingestellt
bereits meine Ansprüche befriedigen, trotzdem aber hie und da noch genug kreativen
Freiraum lassen, um zu "trimmen", um zur ganz persönlichen Feinabstimmung zu kommen.
La Nouvelle Platine Verdier bietet den mächtigen, soliden Klang eines Massekonzeptes.
Und sie bleibt dabei quicklebendig, akzentuiert, pflegt innere Harmonie, ohne gleich in die
übertriebene Analytik, in die seelenlose Reproduktion abzugleiten. Hin und wieder sogar
einen winzigen Tick schneller als die "große" Verdier, baut sich ein Baßfundament
auf, dem stoische Ruhe zu eigen ist, gepaart mit schwingender, vibrierender Eleganz. Dem
manchmal unglaublichen Nachdruck, der völlig bruchlosen Homogenität der mittlerweile
fast 18 Jahre alten, magnetgelagerten Konstruktion setzt das neue Konzept etwas quirligere
Agilität entgegen, ohne dabei gleich nervös zu wirken, den Bogen in Richtung Hektik
zu überspannen.
Die alte Geheimtip-Kombi - SME 3012 mit stahllager plus Preisbrecher Denon DLl03 -
läuft mit Hilfe der Bronzebasis zu neuer, klangfarbenreicher Form auf; der knackige,
voluminöse Baß des japanischen Profiabtasters findet zudem in der exemplarischen
Laufruhe der Öllagerung die richtige Unterstützung. Selbst wenn's mal richtig dick
kommt, bewahrt das Laufwerk herausragende räumliche stabilität, überdies beweist
auch dieser Plattendreher, daß schieres Tellergewicht mehr Immunität gegen
Luftschall-Beeinflussung herbeiführt. Nicht minder faszinierend : die Komnbination mit
Linn Ekos und Linn Arkiv Ganz ehrlich: Wer sich mit dem Sondek nicht anzufreunden vermag,
macht womöglich einen Fehler, wenn er auch die Tonabnehmer der schottischen Manufaktur
links liegen läßt. "Klangphilosophisch" ist das Arkiv gar nicht mal so weit von der
Ortofon SPU- und Denon-Fraktion weg wie ein paar zumeist superteure, superanalytische
Modeabtaster, die ihrem Zuhörer frohgemut jedes Fremdatom in der Rille förmlich um
die Ohren schlagen.
Mit robustem, präzisem Baß und seiner überschäumenden Spielfreude
zauberte das Arkiv hier sogar ein Lächeln in die Gesichter beinharter Linn-Freaks,
die in jedem "Fremd" Laufwerk normalerweise einen Stilbruch kontinentalen Ausmaßes sehen.
Im Grundtonbereich, dort, wo bei vielen Plattenspielern ein gefährliches Loch in Form zu
schlanker, wenig energiereicher Wiedergabe auftaucht, steht die Verdier ihrem großen
Vorbild in nichts nach. Substanz und Fülle, unbedingt notwendig für die
Glaubhaftigkeit des Gehörten, sind reichlich vorhanden; übrigens steckt genau hier
ein klanglicher "Knackpunkt", an dem ein guter Plattenspieler jeden Tonabnehmer
unterstützt.
Und, noch wichtiger, sie marschiert - das Timing stimmt, jeder Ton, jeder Akzent sitzt
hundertpronzentig dort, wo er hingehört. Ein itüpfelchen, das sich mit allen
Arm/Systemkombis bemerkbar machen sollte. Mein Fazit: Daß die Nouvelle Platine
wieder das Zeug zum Klassiker hat, steht außer Frage.
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